Sonntag, 2. August 2009

Grüner Güldner sieht sich als Opfer der digitalen Spaltung

Der Fraktionschef der Grünen in der Bremischen Bürgerschaft, Matthias Güldner antwortet auf die umfangreiche Kritik an seinem Beitrag in der Welt online, in dem er Teilen "der Community" vorgeworfen hatte, sich das "Hirn herausgetwittert" zu haben. Die Äußerungen seien "nicht unüberlegt" wesen, er wollte provozieren, aber nicht beleidigen, und für die Beleidigung entschuldigt er sich.

Bedeutung entsteht im Kontext und letztendlich im Kopf des Rezipienten. Das gilt auch für den Übergang zwischen Provokation und Beleidigung, vor allem 7 Wochen vor einer Bundestagswahl. Dass der Politprofi Güldner die mögliche Wirkung verkannt hat, zeugt genau von derjenigen Unkenntnis "der Community", die zunehmende Teile "der Community" von seiten der etablierten Politik, z.B. der Grünen, spürt. Kurzum: Man ist die oberlehrerhafte Besserwisserei von Ahnungslosen, die sich - warum auch immer - in der Position der (moralisch?) Überlegenen wähnen, leid.

Doch Güldner scheint in der Woche gelernt zu haben, wie er mit Verweis auf Gespräche mit "digital Kundigen" konzediert. So sieht er sich als Teil der "digitalen" Spaltung, wo er als "oberflächlicher" Nutzer , für den das Internet ein Instrument der politischen Arbeit ist, einer Gruppe gegenübersteht, die das Netz zum Gegenstand des politischen Engagements macht. Im Subtext dieser Passage stilisiert sich der Provokateur nun quasi zum Opfer, zum Anwalt derer, die jenseits des digitalen Grabens leben. Die historische Ironie: Haben nicht die Grünen in ihrer Gründungsphase die Umwelt erstmalig zum Gegenstand des politischen Engagements gemacht, während die anderen "nur" in ihr lebten oder sie ausbeuteten, zerstörten etc.? Ist das nicht eigentlich die Grundlage einer Definition des Unterschiedes zwischen Politik 1.0 und Politik 2.0? 1.0: Politik mithilfe des Internet (wurde als Parole in allen Wahlkampfzentralen nach Obamas Erfolg ausgegeben). 2.0: Politik IM Netz, mit allen unabsehbaren Konsequenzen, die das haben wird.

Die Probleme, die im Kontext von Politik 2.0 entstehen, unter vielem anderen die Kluft zwischen denen, die drin sind und denen, die bisher nur zuschauen, sind mehr als real. Und dann haben wir noch nicht über die eine Milliarde Menschen gesprochen, die nicht nur nicht online sind, sondern kaum die Stromleitung haben, die einen PC betreiben könnte, geschweige denn die Energiequelle.

Selbst wenn die Piratenpartei ein vorübergehendes Phänomen bleibt, so ist es diese Mischung aus Nase-Rümpfen, Arroganz und Ignoranz auf seiten des - längst auch grünen - Establishments, die ihre Gründung ermöglicht und die ihr bisher immerhin schon 5000 Mitglieder und jede Menge Vorschusslorbeeren bei einer wachsenden Gruppe von Digital Natives gebracht hat. Eine zunehmende Zahl von jungen IT-Unternehmern beginnt bereits, den Wahlkampf der Piraten zu unterstützen - unentgeltlich.

Das enthebt allerdings die Parteipiraten nicht, auf die hier schon einmal gestellte Frage zu antworten: Wie kriegt man - nein, nicht Matthias Güldner, sondern Frau Schmidt und Herrn Müller ans Netz und in die Communities? Allerdings scheint die Realität eine erste vorsichtige Antwort zu geben: Auf Facebook wächst die Gruppe 30 plus zurzeit am stärksten.




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